Offene Briefe

Standpunkte zu einer Position oder einem Sachverhalt öffentlich äußern, unsere Meinung deutlich machen: Wir als Friedenskreis Syrien vertreten eine Politik des Friedens und des Dialogs und halten es für außerordentlich wichtig, auf dieser Grundlage Stellung zu beziehen.

Mehr dazu siehe unten die folgenden offene Briefe:

  • Offener Brief von Hiwarat e.V. (ehem. Friedenskreis Syrien e.V.) zu Genf II – vom 21.01.2014
  • Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen in Bezug auf Syrien vom 25.01.2016
  • Stellungnahme zu dem EU-Türkei Pakt zur Flüchtlingspolitik vom 29.03.2016
  • Die Friedensverhandlungen für Syrien gehen in die nächste Runde – vom 12.04.2016

Offener Brief von Hiwarat e.V. (ehem. Friedenskreis Syrien e.V.) zu Genf II – vom 21.01.2014

Warum wir uns wundern

Wir, der Friedenskreis Syrien als eine Gruppe von Syrern und Anteilnehmenden des Syrien-Konfliktes, wundern uns.

Wir wundern uns, weil eine Konferenz, die als Friedenskonferenz für Syrien kommuniziert wird, so wenig das syrische Volk mit einbezieht: Mangelnde Transparenz ist erfolgreich dabei, unseren Hoffnungsschimmer zu zerstören, den wir bei Ankündigung der Konferenz verspürten.

Wir wundern uns, dass die USA festlegen kann, wer der Repräsentant der syrischen Opposition ist.
Viele Oppositionsparteien, zum Teil noch friedlich agierend in Syrien, hätten nur unter dem Dach der Auslandsoppositiongruppierung der „Syrischen Koalition“ teilnehmen dürfen. Der einzige Verhandlungpartner der in Syrien seinen Hauptsitz hat und an den Verhandlungen zugelassen wurde, heißt Assad. Dies entspricht nicht unserer Vorstellung von legitimen Repräsentanten, die über das Syrien von morgen verhandeln.

Doch am meisten wundern wir uns, dass Assad und die „Koalition“ von deren die Konferenz organisierenden Schutzmächten an den Verhandlungstisch gezwungen werden müssen. Eine aktive Vorbereitung und Bereitschaft, zu einer ernstzunehmenden Mediation sieht anders aus.

Doch wir können und wollen unsere Hoffnung nicht aufgeben, dass die direkt oder indirekt beteiligten Parteien ihre machtpolitischen Interessen in den Hintergrund stellen, sich öffnen für einen Dialog, gerade auch mit den politischen Gegnern und nach einer Lösung streben, in der nachhaltiger Frieden für Syrien und das syrische Volk im Vordergrund stehen.

Darum unser Aufruf an alle involvierten Parteien:
Fangt an euren nachweislich vorhandenen Einfluss geltend zu machen. Stoppt die Waffenlieferungen nach Syrien und tretet stattdessen für einen Waffenstillstand ein. Für eine Atmosphäre, in der ernsthaft nach Lösungswegen gesucht wird, bitter nötige Hilfe geleistet werden kann und die Werte der Humanität obsiegen werden.

Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen in Bezug auf Syrien vom 25.01.2016

Nach mehreren Jahren der kriegerischen Auseinandersetzungen und halbherzigen diplomatischen Anläufen, ließen die jüngsten Ereignisse in Bezug auf Syrien hoffen:

– Als Ergebnis der Wiener Friedenskonferenzen, an denen erstmals auch der Iran und Saudi-Arabien gemeinsam teilnahmen, wurde einstimmig ein Friedensplan für Syrien beschlossen.

Darauf folgte die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats, in der folgende Schritte in den kommenden zwei Jahren für Syrien vorgesehen sind:

  • Bilaterale Friedensgespräche, die am 25. Januar zwischen dem syrischen Regime unter Assad und der Vertretung der Opposition, stattfinden sollen.
  • Waffenstillstand als Folge der Friedensgespräche
  • Nach sechs weiteren Monaten der Verhandlung die Bildung einer Übergangsregierung
  • Die Übergangsregierung bereitet Neuwahlen nach weiteren 18 Monaten vor. 

Folgende Maßnahmen wurden hierzu im Vorfeld getroffen:

  • Jordanien wurde mit der Einschätzung beauftragt, welche bewaffneten Gruppen in Syrien als terroristisch einzustufen seien und die Ergebnisse auf einer Liste festzuhalten.
  • Auf Einladung Saudi-Arabiens sollten sich bei einem Treffen in Riad syrische Oppositionsgruppen zu einer gemeinsamen Opposition zusammenschließen. 

Ein schöner Plan, doch die Realität spricht – mal wieder – eine andere Sprache:

Es konnte sich nicht darauf geeinigt werden, welche Gruppierungen als terroristisch eingestuft werden sollen. Der Grund dafür lag vor allem darin, dass kein Staat eine von ihm unterstütze Gruppe auf der Liste sehen wollte.

Auch wenn es in Saudi-Arabien gelungen ist, das bis jetzt größte syrische Oppositionsbündnis zu schmieden, das es bisher gab, ist das Ziel einer geeinten Opposition als Voraussetzung für bilaterale Friedensverhandlungen gescheitert. Als Auslöser kann insbesondere der Ausschluss der kurdisch-syrischen Oppositionsgruppe PYD aus den Verhandlungen genannt werden. Begründung hierfür: direkter Widerwille einiger Länder wie der Türkei sowie Bedenken anderer Oppositionsgruppen wegen angeblicher Beziehungen der PYD zu dem syrischen Regime.

Als Reaktion auf den Ausschluss schloss sich die PYD mit anderen syrischen Oppositionsgruppen zu dem „Syrischen Demokratischen Rat“ zusammen und fordert nun ebenfalls das Recht auf Teilnahme an den Gesprächen. Russland unterstützt dies und spricht sich für trilaterale Verhandlungen aus.

Die Konfliktparteien, besonders das Regime mit Unterstützung Irans und Russlands, versuchen sich – mit erhöhter Grausamkeit – durch militärische Erfolge in eine gute Ausgangslage für die Verhandlungen zu bringen. Die Folge sind hungernde Dörfer (Bsp. Madaja) und noch einmal mehr zivile Opfer.

Mit Spannungen wurde das Treffen zwischen Russland und den USA am Mittwoch, den 20. Januar, erwartet, auf dem die Rahmenbedingungen für die geplanten Verhandlungen spezifiziert werden sollten. Hierbei gab es ebenfalls insbesondere über zwei Punkte Unstimmigkeiten: Zum einen, welche Oppositionsvertreter die Legitimation haben, an den Verhandlungen teilzunehmen und zum anderen, dass die von Saudi-Arabien unterstützte Vertretungen der Oppositionsgruppen zum Teil von Russland als terroristisch betrachtet werden.

Als Resultat des Gesprächs wurde im Anschluss erklärt, dass der Beginn der Verhandlungen zwischen Opposition und dem syrischen Regime „in die nahe Zukunft im Januar“ verschoben worden ist. Der Aufschub der Gespräche wurde am 21. Januar von dem UN Sonderbeauftragten für Syrien De Mistura bestätigt. Ein neuer Verhandlungstermin wurde noch nicht festgelegt. 

Entgegen diverser öffentlicher Reaktionen halten wir weiterhin eine politische Lösung für den Konflikt als die einzig vertretbare, einzig realistische Forderung, die unter den aktuellen Bedingungen gestellt werden kann. Dies folgern wir unter anderem aus:

Als Resultat der Realpolitik sehen sich die internationalen Akteure erstmals gezwungen, gemeinsamen Beschlüssen zuzustimmen. Auch sie wissen, dass ohne eine politische Lösung die Auswirkungen des Krieges sich zu ihrem eigenen Nachteil verschlimmern. Ein militärischer Sieg wird daher auch von den meisten internationalen und regionalen Konfliktparteien inzwischen ausgeschlossen.

Die ganze arabische Region ist destabilisiert. Mit jedem Tag, den der Krieg in Syrien länger dauert, spüren die Anrainerstaaten die Auswirkungen des Krieges, insbesondere durch Flüchtlinge und die hohe Eskalationsstufe der Gewalt, deutlicher.

Die Zeit der europäischen Abschottung ist vorbei. Menschen machen sich zu Millionen auf und suchen Zuflucht und ein besseres Leben. Die Mitverantwortung, die europäische Länder und die USA für die aktuelle Situation in den arabischen Ländern tragen, darf dabei nicht vergessen werden.

Extremismus ist kein regionales Problem. Je länger der Krieg und andere Konflikte dauern, desto breiter ist der Nährboden hierfür und für Gewalt.

Deswegen fordern wir:

  • Auch die internationalen Akteure müssen die Ernsthaftigkeit der Lage anerkennen und dementsprechend handeln. Eine Politik, in der mehr auf den Nachteil des anderen abgezielt wird, als auf den eigenen und gemeinsamen Vorteil, ist nahezu beispiellos verantwortungslos. So zerstören die Verantwortlichen nachhaltig friedliche Perspektiven einer ganzen Region.
  • Umsetzung des auf den Wiener Verhandlungen beschlossenen Waffenstillstands
  • Sofortigen Zugang für humanitäre Hilfe für die vom Krieg betroffene syrische Bevölkerung.
  • Sofortigen Stopp von Waffenlieferungen an die Konfliktparteien.
  • Genf II hat gezeigt, dass Ausschluss bestimmter Gruppen den Friedensprozess hemmt. Nur unter Beteiligung aller relevanten Konfliktparteien (auch des neu gegründeten Syrischen Demokratischen Rats) sowie der Zivilgesellschaft, ist ein nachhaltiger Waffenstillstand möglich.
  • Die Zivilgesellschaft muss an den Zukunftsüberlegungen zu Syrien beteiligt werden.

Stellungnahme zu dem EU-Türkei Pakt zur Flüchtlingspolitik vom 29.03.2016

Wo bleibt die Konstruktivität?

EU-Türkei-Pakt zur Flüchtlingspolitik in Europa

Die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union scheint in einer Sackgasse. Kann das Abkommen zwischen der Türkei und der EU wirklich der Schlüssel zu einer Lösung sein?

Nachdem viele europäische Länder nationale Wege in ihrem Umgang mit Geflüchteten gegangen sind, Merkel jedoch bis zuletzt auf eine europäische Lösung pochte, wurde diese nun zum Ende des EU-Gipfels am 18.3.2016 verkündet und als Erfolg begrüßt. Nach langem Ringen verständigten sich die EU-Länder auf eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik, in Zusammenarbeit mit der Türkei: Während die Türkei dafür Sorge tragen soll, dass keine Flüchtlinge mehr unkontrolliert über die türkische Grenze in die Europäische Union einreisen, verpflichten sich ihre Mitgliedsstaaten zu Milliardenhilfe an das Land und Visa-Erleichterungen für die türkischen Staatsbürger. Außerdem nimmt die Türkei alle illegal nach Griechenland eingereisten Migrant*innen zurück und für jede*n zurückgenommene*n Syrer*in, wird einer Person mit syrischer Staatsbürgerschaft die legale Einreise in die EU ermöglicht – bis zu einer Obergrenze von 72.000[1].

Doch dieses Abkommen ist aus diversen Gründen fragwürdig:

Nachdem die Europäische Union, bestehend aus 28 Staaten, an einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik gescheitert ist, trotz Reichtum und Ressourcen weder eine umfassende Registrierung noch gerechte Verteilung der geflüchteten Menschen möglich war, werden Mensch und Verantwortung nun auf die Türkei abgeschoben. Einem einzelnen Land, das aktuell auch noch mit Menschenrechtsverbrechen Schlagzeilen macht und über ein sehr dürftiges Asylgesetz verfügt (nur europäische Staatsbürger haben das Recht auf Asyl in der Türkei). Manchen Syrer*innen geht es zwar noch verhältnismäßig gut, die Türkei hatte sie zu Beginn des Krieges im Land willkommen geheißen und vielen ist es gelungen, einen – wenn auch häufig illegalen – Arbeitsplatz zu finden. Doch stellen diese Beispiele zunehmend eine Ausnahme dar. Welche Rechte und Überlebensbedingungen haben die Millionen anderer Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern in der Türkei? Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die Türkei keine menschenrechtsachtende und sichere Versorgung der Flüchtlinge garantiert, was nicht nur Abschiebungen zurück nach Syrien in der Vergangenheit offenbarten. Es gibt viele innenpolitische Probleme in der Türkei, die Sicherheitslage ist angespannt. Bereits jetzt sind die Flüchtlingslager überfüllt und die Versorgung ist unzureichend. Worüber in dem Kontext ungerne gesprochen wird ist außerdem, dass die EU mit dem Abkommen der Türkei zusätzliche Macht verleiht. Mit der großen Anzahl syrischer Flüchtlinge in ihrem Land hält die Türkei eine machtstrategische Karte in ihren Händen, die sie jederzeit ziehen können – auch um die Friedensgespräche über Syrien zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Ein weiterer zu kritisierender Aspekt des Abkommens ist, dass sich die Lösung auf genau eine einzige Route erstreckt, auf der Menschen in die EU kommen und genau auf ein Herkunftsland, nämlich auf Syrien. Das scheint angesichts der alternativen Wege in die Union und der aktuellen Weltlage doch ein wenig kurz gedacht. Zahlen machen deutlich, dass 2015 nur 29% der Asylerstanträge in der EU von Syrer*innen gestellt wurden, 2014 sogar noch deutlich weniger[2]. Damit stellen sie zwar die größte Teilgruppe der flüchtenden Menschen dar, aber lange nicht die einzige. Zuvor beschlossene Abmachungen, wie die Verteilung von weltweiten Flüchtlingen anhand der „Resettlement-Quote“ der UNHCR, geraten darüber hinaus in Vergessenheit. Was also passiert mit den Menschen die aus Ländern wie Afghanistan, Irak oder Eritrea flüchten? Mal wieder scheint die europäische Staatengemeinschaft, die andere Länder zur Einhaltung der Menschenrechte mahnt, es selber nicht ganz genau damit zu nehmen. Oder anders ausgedrückt: Die EU erkennt das individuelle Recht auf Asyl zwar an, aber nur noch außerhalb ihrer Grenzen. Nicht nur der globalen Verteilung von Ressourcen und Reichtum ist dies stark irritierend.

Noch dazu spart der „Flüchtlings-Deal“ an Details, die für ein besseres Verständnis elementar und die Voraussetzung wären. Doch leider ist bisher weder kommuniziert worden, auf welche Weise welche Syrer*innen in die EU gebracht werden sollen, noch nach welchem System die Menschen auf die europäischen Länder aufgeteilt werden – außer, dass es „auf freiwilliger Basis geschehen soll“. Länder wie Ungarn machten in der Vergangenheit jedoch schon deutlich: Ihre Toleranzgrenze zur Aufnahme von geflüchteten Menschen liegt bei null. Solche Nicht-Präzisierungen sind neben dem Vertrauensverlust auch besonders anfällig für individuelle Auslegungen und Korruption.

Zwar gilt bis jetzt die offizielle Information, dass die „resettleten“ Syrer*nnen vorrangig aus Flüchtlingslagern aus der Türkei kommen sollen, doch kann die unpräzise Formulierung auch eine andere Realität erzeugen. So könnte die EU nur die „brauchbaren“ Flüchtlinge aufnehmen (brain drain), wie es in der Vergangenheit bereits häufiger praktiziert wurde. Eine derartige Selektion widerspräche dem Gleichheitsprinzip des Menschen und fiele zu Lasten der Ärmsten. Und wieder stellt sich die Frage, was mit den syrischen Flüchtlingen in anderen Ländern wie dem Libanon oder Jordanien geschieht. Eine Fluchtwelle in die Türkei scheint nicht ausgeschlossen.
Und schließlich, wie geht es eigentlich nach den 72.000 „legal“ in die EU gebrachten Syrer*innen weiter? Das Abkommen wird zwar nicht ohne Grund auch Abschreckungs-Deal genannt, doch solange es Fluchtursachen gibt, werden Menschen ihren Weg nach Europa suchen und finden.

Die EU kommuniziert ein Flüchtlingsproblem, spricht dabei aber über ein von den Mitgliedsstaaten selbst geschaffenes Problem. Abkommen werden nicht eingehalten (wie die im September 2015 abgemachte Verteilung von ca. 120.000 Flüchtlinge auf Europäische Länder) und Situationen werden negativer beschrieben als sie es sind. Das Problem haben immer noch die flüchtenden Menschen, die ihre Heimat verloren haben, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung flüchten.


Insgesamt lässt sich aus der Situation eine traurige Erkenntnis über den Zustand der EU ableiten: Die Union, die noch vor wenigen Jahren den Friedensnobelpreis erhielt und ihr einmaliges Asylrecht feierte, schafft dieses gerade ab und möchte von Kooperation nur noch ökonomisch gehört haben. Die Auslagerung der Flüchtlingspolitik spricht Bände über die Union, die sich zusehends auf eine Union der Bürokratie und wirtschaftlichen Interessen reduziert. In diesem Sinne stellt sich die Frage, welche Zukunftsfähigkeit dieser Staatenzusammenschluss hat, oder besser, was können wir tun, um den Zusammenhalt auf auch politische und kulturelle Bereiche auszudehnen?

Sowohl der europäische Diskurs über Flüchtlinge, als auch der aktuelle Deal mit der Türkei kann nur als realitätsfern und kurzsichtig beschrieben werden. Es ist der Versuch, einen komplexen Sachverhalt mit stark vereinfachten Argumenten und Handlungen in seinem Ausmaß zu begrenzen. Es ist ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist und wertvolle Ressourcen und Zeit unnötig verschleudert und an ein Land verschenkt, das auf dem besten Weg ist die Demokratie abzuschaffen.

Deswegen beziehen wir, der Friedenskreis Syrien, Stellung gegen diese Abmachung. Eine Abmachung, die in dieser Form weder lösungsorientiert noch langfristig effektiv ist und darüber hinaus in höchstem Maße verantwortungslos.

Wir fordern:

  • Die EU braucht eine lösungsorientierte Politik statt die Verlagerung von Verantwortungen: Aktion statt Reaktion
  • Die für die Grenzschließungen erforderten Ressourcen sinnvoller für effektive Registrierungszentren innerhalb der Europäischen Union auszugeben. Denn die EU hat ausreichend und mindestens mehr Mittel als die Türkei, den ankommenden Menschen dem internationalen Asylrecht entsprechend individuell zu Begegnen.
  • Mehr Unterstützung für die südlichen EU-Länder und auch die anderen Hauptaufnahmeländer von Flüchtlingen.
  • Fluchtursachen müssen konsequenter bekämpft werden. Nur diese Strategie kann langfristig den Flüchtlingszustrom begrenzen. Kaum jemand verlässt seine Heimat freiwillig.
  • Ein reformiertes Einwanderungsgesetz, das Arbeitsmigration in größerem Umfang ermöglicht und effektiver regelt.
  • Eine Intensivierung des innereuropäischen Dialogs, um den europäischen Zusammenhalt zu stärken. Wir brauchen ein Europa der Solidarität und nicht der Ausgrenzung.
  • Positive Auswirkungen der aktuellen Migrationsbewegungen anerkennen und zu diskutieren.

Die Friedensverhandlungen für Syrien gehen in die nächste Runde – vom 12.04.2016

Das Ergebnis der Wiener Syrien-Konferenz vom Oktober 2015 war die Verständigung auf einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen dem Syrischen Regime und der Opposition, die langfristig zu einer Übergangsregierung in Syrien sowie Neuwahlen führen sollen. Seit Februar dieses Jahres sind die Gespräche zwischen den syrischen Konfliktparteien im Rahmen von „Geneva III“ nun angelaufen. Erläuterten wir in unserer ersten Stellungnahme bereits die Hintergründe und Anfänge der Friedensverhandlungen, wollen wir hier auf die neuesten Entwicklungen eingehen.

Nachdem der als Verhandlungsvoraussetzung beschlossene Waffenstillstand am 27. Februar – brüchig – in Kraft trat, willigte sowohl die im letzten Jahr in Riad gegründete syrische Oppositionsgruppe „High Negotiation Committee“ (HNC) als auch das syrische Regime ein, an den von De Mistura geleiteten Friedensgesprächen für Syrien teilzunehmen. Bis heute gilt der Waffenstillstand und nach bereits zwei Verhandlungsrunden sollen die Friedensgespräche nun – nach mehrmaligen Verzögerungen und nach wie vor indirekt – voraussichtlich am 13. April fortgesetzt werden. Das Datum lässt sich auf die angekündigten Parlamentswahlen in Syrien am 13. April zurückführen, die Delegierten des syrischen Regimes hatten sich erst nach den Wahlen wieder für Gespräche bereit erklärt. Die kurdische Oppositionsgruppe PYD darf nach wie vor nicht an den Verhandlungen teilnehmen, ein Antrag Russlands diesbezüglich wurde im Sicherheitsrat überstimmt. Die Ausrufung der Föderalen Kurdischen Republik kann als Reaktion dieses Beschlusses betrachtet werden.

Auch wenn bis jetzt für viele Konfliktpunkte noch keine Einigung absehbar ist und die humanitäre Situation in Syrien nach wie vor katastrophal ist, halten wir es dennoch für wichtig nach fünf Jahren Krieg den Hoffnungsschimmer der Gespräche hervorzuheben und wertzuschätzen. Die Erfolge sind gering, aber sichtbar. Seit Beginn des Waffenstillstands sind weniger Menschen gestorben[1] und mehr Menschen können mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden.[2] Es gibt aktuell keine vorstellbare Alternative zu dem Weg der politischen Lösung, die auch wir nach wie vor fordern. Hier stimmen wir mit De Misturas realistischer Einschätzung überein: “Some referred to a plan B,” he said. “So far as I know the only plan B available is return to war and even worse war than we have now.” [3]

Deswegen muss der Prozess weitergehen und es gilt, diesen so effektiv wie möglich zu gestalten. Der Friedenskreis Syrien e.V. schlägt folgende Maßnahmen vor:

  • Die Syrische Zivilgesellschaft muss zumindest als beobachtende Partei an den Friedensverhandlungen beteiligt werden.
  • Es ist notwendig alle syrischen Parteien, auch die Kurden, an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen. Ausgrenzungen beeinflussen die Friedensverhandlungen negativ und konterkarieren die Bemühungen um ein zukünftiges Syrien.
  • Der Waffenstillstand muss anhalten. Die Aufrechterhaltung kann jedoch nur in Zusammenarbeit von neutralen internationalen sowie nationalen (z.B. Vertreter der syrischen Zivilgesellschaft) Beobachtern gewährleistet werden.
  • Humanitärer Zugang muss in größerem Maße von allen Konfliktparteien gewährleistet und zugelassen werden. Wir appellieren an die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts und verweisen auf den Schutz der Zivilgesellschaft auch zu Kriegszeiten. Die humanitäre Situation darf nicht als Verhandlungskarte verwendet werden.
  • Es ist wichtig die Situation von Gefängnissen transparenter zu machen: Inhaftierte, Angehörige und Freunde haben das Recht auf Information. Internationale Organisationen wie das Internationale Komitee des Roten Kreuzes könnten diese Arbeit produktiv unterstützen.
  • Die Syrien-Konferenz in Wien mit 20 internationalen Vertretern, bekannt als „Syria Support Group (ISSG)“, war ein erster Schritt. Doch um in der Zukunft ein stabiles Syrien aufbauen zu können, muss die internationale Verständigung über Syrien weitergehen. Aus dem Grund empfehlen wir dringend eine weitere „Wiener-Konferenz“.

[1] Syrian Observatory for Human Rights: Im Jahr 2015 sind in Folge des Krieges pro Monat durchschnittlich 4583 Menschen (davon 1750 Zivilisten) gestorben. Im März 2016, nach Eintritt des Waffenstillstands, gibt es 2658 (davon 588 Zivilisten) Fälle von getöteten Menschen – immer noch viel zu Viele. http://www.syriahr.com/en/2016/01/01/death-toll-in-syria-tops-55000-in-2015/ und http://www.syriahr.com/en/2016/04/06/588-civilian-citizens-including-214-child-and-citizen-women-killed-in-march-2016/

[2] UN News: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=53597#.Vwqi3o9OL4g

[3] The Guardian: http://www.theguardian.com/world/2016/mar/14/uns-syria-envoy-derail-peace-talks-geneva-staffan-de-mistura